Über die Zwergschlammelfen

Eine Denkschrift von Güdebald Ehrenbreit von Heim, Baron von Heimsheim.        Juli 1904

Die Herkunft

Über die Herkunft der lustigen kleinen Gesellen wurde nun ja bereits viel speculiert – ja es wurde bereits gemuthmaßt, dass sie eigentlich aus Eiern kommen, oder gar aus den Blumen.

 

 

Die Antwort, so wie wir sie sehen, ist: Möglicherweise, aber sicherst nicht aus dem Broccoli.

 

Die Zwergschlammelfen sind ja Kleinstfeen und somit als magische Wesen zu sehen. Sie stammen deshalb aus dem Land der Märchen, der Träume und der Wunder.

 

 

Früher gab es noch viel und mannigfaltig davon! An jeder Ecke, in jedem Thale und auf jeder Waldlichtung wuselte und thummelte es von Zwergschlammelfen, Braunschlammelfen und anderen kleinen Rackern. Aber die Menschen haben über die Jahre vergessen, wie man an Träume und Märchen glaubt. Mit immer mehr des Fortschrittes und den schnellen Geschwindigkeiten der Dampfeisenbahn und des Telephones haben sie sich von den Sachen entfernt, an die sie als Kinder geglaubt haben. Und dadurch ward es immer weniger an magischen Geschöpfen, bis fast keine mehr davon da waren.

 

 

Aber nun, vor gar nicht allzu langer Zeit, es begann ganz unscheinbar, wandelte es sich. Menschen begannen, sich nach der Zeit zu sehnen, die es so vielleicht nie gegeben hatte. Eine Zeit, in der die Menschen an den Fortschritt glaubten, aber sich ihm nicht geopfert hatteen. Eine Æra, in der man trotz der Dampfmaschinen, der Luftschiffe und dem Aether noch an Elfen und Feen glaubte.

 

 

Zwei von ihnen entdeckten die erste der Zwergschlammelfen auf einem Markttreiben - einsam, nass, gar hungrig und bitterlich frierend. Also nahmen sie sie mit und kümmerthen

sich um das arme kleine Geschöpf! Und als die beiden die kleine Tiffany, so heißt diese Zwergschlammelfe, ihren Freunden zeigten, so begannen auch diese wieder an Elfen und Feen zu glauben.

 

 

Die Zwergschlammelfen kamen in diese Welt durch die Menschen, die an die Magie und den Zauber glauben. Erst waren dero wenige, aber umso mehr Menschen an sie glauben, umso mehr gibt es von ihnen.

 

 

Sie sind dann einfach da. Und wenn es Menschen gibt, die glauben mögen, daß Feen aus den Blumen stammen (oder gar aus Eiern), dann stimmt das vielleicht auch. Aber das spielt keine Rolle.

 

 

Sie kommen aus den Herzen der Menschen, die an sie glauben.

 

Das Erscheinungsbilde

 

Die Physis der Zwergschlammelfen ist schnell erklärt. Sie sind zwischen einer Handbreit (die Kleinste der Zwergschlammelfen) und zwei Ellen (die Riesenzwergschlammelfe) groß. Am häufigsten sind die kleinen und normale Zwergschlammelfen (anderthalb Handbreit). Es gilt hierbei: Je größer die Zwergschlammelfe, desto seltener sind sie.

 

 

Zwergschlammelfen haben ganz so wie der Mensch zwei Arme und zwei Beine. Sie sind bedecket mit einem kurzen grünen Fell und einem braunen längeren Fell am Körper und auf dem Kopfe. Sie verfügen über ein robustes Gebiss mit insgesamt 52 Zähnen, von welchen die oberen Eckzähne als Reißzähne über die Unterlippe ragen.

 

 

Zwergschlammelfen verfügen über große Ohren, mit denen sie Thöne bis weit in den Ultraschallbereich vernehmen können, gar so als wie eine Fledermaus. Sie verfügen auch über ein ausgezeichnetes Gehör, dass sie jedoch im Zweifelsfalle völlig ignorieren können, ergo wenn man sie rufet und ähnliches.

 

 

Sie sind Warmblüther wie wir und weitgehend unempfindlich gegen die Kälte, obschon sie sie nicht leiden mögen. Gar große Wärme vertragen sie nicht allzu guth, sie werden dann träge. Bei thiefen Temperaturen und bei Nässe werden sie schnell mürrisch und suchen die Wärme.

 

 

Nahezu alle Zwergschlammelfe sind weibliches Geschlechtes. Es wurde vereinzelt von männlichen Exemplaren berichtet, deren Herkunft jedoch noch unklarer ist als die der Weibchen.

 

 

Zwergschlammelfen können wahrscheinlich mehrere hundert Jahre alt werden.

 

Die Ernährungsweise

 

Zwergschlammelfen sind Omnivore wie wir, i.e. sie pflegen Pflanzen, Fleisch, Fisch und alles Andere zu verspeisen, was auch uns mundet. Sie essen aber recht selten Fleisch, da sie in ihrer natürlichen Umgebung selten an welches herankommen, dafür aber Fisch, Muscheln, Krebse und anderes Wassergethier.

 

 

Ihre Hauptnahrungsquelle ist das Gemüse, wie die gelben Rüben, Bataten, Paprika und vieles anderes mehr. Doch bewahre! Zwergschlammelfen verabscheuen grünes Gemüse wie Broccoli, den Rosen- oder Wintherkohl, Kukumbern und vergleichbares. Auch ist ihnen der Genuß von Innereien abhold.

 

 

Sie mögen gerne alles Süße, vor allem Chocolate und Honig. Aber auch allen anderen Süßigkeiten und Süßspeisen gegenüber sind sie nicht abgeneigt. Einer ihrer Favoriten ist der gute und süße Grießbrei. Auch mögen sie das Obst, das im Sommer und Herbst an Busch und Baume einladend wachset, nur abgesehen von den italienischen Netzmelonen, der tasmanischen Stachelbeere und den grünen Trauben (wegen des grünen Fruchtfleisches.)

 

 

Wenn Zwergschlammelfen bei dem Menschen sind, so verspeisen sie (bis auf das grüne Gemüse) mit großem Vergnügen all das, was der Mensch auch gerne esset.

 

 

Zwergschlammelfen trinken gerne die süßen Limonaden, auch wenn es ihren kleinen Zähnchen schaden mag. Den Necktar süßer Früchte verschmähen sie nicht, aber sie trinken keine Milch – weder von Kuh, noch Schaf, noch Ziege! Sie sprechen gerne dem Alcohole zu, vor allem dem süßen Liköre. Zu ihren großen Vorlieben zählen der Advocaat (oder Eierliqeuer) und der Kräuterbitter, der unter dem Namen „Dragonermeister“ gehandelt wird.

Deren Lebensumstände

 

Daraußen, in der freien Natur, lebt die Zwergschlammelfe an den Fluss- und Seeufern, wo sie sich kleine Höhlen bauet. Sie polstert diese mit Gras, Moos, Federn und anderen weichen Dingen aus, auf dass sie weich gebettet schlafe. Sie verziert sie auch innen mit glänzenden und glitzernden Gegenständen. Meist leben sie alleine, nur selthen in der Gruppe.

 

 

Sie ernähren sich von allem, was sie finden, wie das Obst und das Gemüse (mit dero oben genannte Ausnahmen), fetten Nüssen, und feinen Wurzeln, sowie (seltener) Fisch, Muscheln, Krebsen und anderem Seegethier. Für den Winter legen sie daraus einen Vorrath an nicht leicht verderblichen Sachen an.

 

 

Zwergschlammelfen sind wasserscheu und baden nicht gerne, was ungeschickt erscheinen mag angesichts dessen, dass sie in unmittelbarer Nähe des Wassers zu leben pflegen. So denn dann ein Hochwasser die Höhle überflutet, wird sich eine Zwergschlammelfe mit großer Wahrscheinlichkeit bei dem Menschen einschleichen.

 

Vom Zusammenleben mit dem Menschen

 

Zwergschlammelfen folgen dem Menschen nach Hause oder verstecken sich gar in Kleidung und Gepäck des Menschen, wenn er unterwegs oder auf Reisen ist. Das geschieht meist dann, wenn ihnen kalt ist und sie frieren, oder sie großen Hunger leiden. Oft krallen sie sich sodann in Mänteln, Umhängen und Pellerinen des Menschen fest und lassen sich so heimlich mit nachhause nehmen. Wenn sie von den Menschen entdecket werden, so entwickeln sie rasch eine Bindung zu ihnen - außer freilich bei schlechten Menschen oder solchen von moralisch zweifelhaftem Maßstabe!

 

 

Die erste Person, zu der sie eine Bindung aufnehmen, wird der Liebe voll „der Papi“ oder „die Mami“ genannt. Werden sie von einem Paare entdeckt, so ist der Mann immer der Herr Papa und die Dame immer die Frau Mami, unabhängig von Stand und Status der Auffindenden. Werden sie von Geschwistern gefunden, sind dies trotzdem Papa und Mama, was zu einiger Verwirrung führen mag, auch gerade wenn man den kleinen Geschöpfen versucht, dass Mißverständniss aufzuklären.

 

 

Alle anderen befreundeten Menschen sind Onkel und Tanten, einmal abgesehen von den Kindern. Und obschon sie sich der Regeln der Höflichkeit und des Anstandes bewußt zu sein scheinen, so werden alle Personen werden von den Zwergschlammelfen doch mit dem vertrauten „Du“ angesprochen.

 

 

Bei den Onkeln und Tanten setzen Zwergschlammelfen immer das Onkel oder Tante vor den Namen in der Anrede, aber Kinder werden von immer nur mit dem Taufnamen angesprochen. Auch haben Sie eine Art von Respect vor höher gestellten Personen, wie Doctores oder Professoren oder mit andern akademischen Titeln. Sie werden von den putzigen kleinen Rackern i.d.R. geduzt, aber mit dem Titel und dem Familiennamen angesprochen!

 

Was es sonst noch zu wissen gibt

 

Die Zwergschlammelfe als solche, so haben unsere langjährigen Studien ergeben, sind niemals grausam; so ein Gebahren ist ihnen wesensfremd! Darob dürfen auch niemals absichtlich grausam behandelt werden! Man darf sie aber guthen Muthes ärgern, wie dadurch, dass man ihnen grünes Gemüse vorsetzen mag, sie zum Bade zwinget, oder ihnen Streiche spielt und anderes.

 

 

Eine Zwergschlammelfe zeigt immer Mithgefühl, wenn einem anderen Wesen etwas Schlechtes widerfahren ist.

 

 

Sie benutzen auch keine vulgäre Sprache. Unangenehme Dinge sind für sie im schlimmsten Falle „doof“, „blöd“ oder „Mist“. Auch drücken sie ihre Ablehnung oft durch ein Satz-Präfix aus, wie durch das Wort „Pöh!“ oder „Bah!“. Entsetzen oder Furcht wird gern durch ein vorangestelltes „Wäääh!“ bekundet. Im Gegensatz dazu steht das basser Erstaunen, das meist mit „Waaah!“ eingeleitet wird.

 

 

Zwergschlammelfen kennen keinen bewussten Untherschied zwischen Guth und Böße, sie würden jedoch niemals absichtlich einem anderen Lebewesen ein Leid anthun!

 

 

So kann man auch sagen, dass sich Zwergschlammelfen wie die Kinder verhalten – obschon sie aber auch oft über den Wissensstand eines Erwachsenen verfügen!

 

 

Genau wie Kinder drücken Zwergschlammelfen ihre Gefühle nahezu immer in Superlativen aus, auch sind sie Zwergschlammelfe bisweilen recht trotzig.

 

 

Ein Eigentumsbegriff ist ihnen weitest gehend fremd, außer jedoch bei anderen Zwergschlammelfen und (in geringerem Maße) bei den ihnen angefreundeten Menschen. Aber Zwergschlammelfe nehmen trotzdem niemals jemanden etwas weg, der in einer Noth ist! Im Gegenteil, gefallen sie sich doch oft in einer Rolle als kleiner Robin von Sherwood oder Wilhelm Tell!

 

 

Aber Zwergschlammelfen kennen auch keine Grenzen! Wenn sie Ansicht sind, dass es möglich sei, mit ein Tausend Feuerwerksraketen zur Venus fliegen können, dann werden sie es wohl probieren wollen.

 

 

Vor Zwergschlammelfen ist keine Chocolate und nichts anderes Süßes sicher, egal wie gut es versteckt sein mag. Das gilt in besonderem Maße auch für süße Cremes, Pralinen, Gelee Russe etc. und für Glitzer- und Flitterkram wie Schmuck und Edelsteine.

 

 

Sie sind ausgesprochen einfallsreich und sehr geschickt, wenn es um die Erreichung ihrer Ideen und Ziele geht. Es wurde auch berichtete, dass Zwergschlammelfen schon einmal bei Juwelieren einbrechen. Wenn sie es wollen, können Zwergschlammelfen sehr großes Geschick zeigen.

 

 

Bemerkenswert zum Schlusse sei gesagt, dass sie trotz aller Übung können den Advocaat-Liqeuer „Eierlikör“ nicht aussprechen können, und dessenthalben „Eierlillööör“ zu sagen pflegen. Und aller Kräuterbitter, gleich welcher Herkunft, ist für sie immer „Dragonermeister“.